Porta Westfalica (usk). "Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder
ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied gefallen." Dies
war die Reaktion der Schubert-Freunde auf die "Winterreise".
Inzwischen ist dieser größte aller Liederzyklen trotz (oder gerade wegen)
seiner traurigen Anlage zum Kultstück avanciert, aber auch zur
technisch-geistigen Herausforderung. Jetzt stellten sich in der Hausberger
St.-Walburga-Kirche Matthias Nenner (Bariton) und Matthias Alteheld
(Klavier) dem Wagnis "Winterreise".
Junge Interpreten, die sich ausprobieren möchten, standen im gedämpften
Rampenlicht: Da schwingt schnell eine Spur Skepsis mit, ob die aufgestellte
Hürde nicht noch eine Nummer zu groß ist. Doch die beiden Ausführenden
konnten etwaige Zweifel schnell ausräumen. Ihre Schubert-Reise war stimmige
Sache.
Ohne übertriebenes Pathos gingen Nenner und Alteheld das knapp 70-minütige
Opus an. Forsche Tempi, zügige Übergänge, dazu eine Leichtigkeit in der
musikalischen Diktion, die der "Winterreise" einiges von der ihr
innewohnenden Schwere nahm: In jedem Fall gut. Keine Verdopplung der
musikalischen Schwermut durch schleppendes Tempo und künstlich verdunkelte
Stimme: Im archaisch wirkenden Kirchenraum von St. Walburga wurde ganz der
Wirkung des Stückes vertraut. Und das konnten die Interpreten dank guter
Detailabstimmung auch tun.
Überzeugend das eher helle Timbre von Matthias Nenner, das flexibel geführt
durch die 24 Lieder kam. Ein Bariton, der unverkrampft von der dramatischen
Attacke in die lyrische Gestaltungsweise wechseln kann, zeigte sich. Mit
enormer dynamischer Bandbreite, guter Textverständlichkeit und
darstellerischer Intelligenz.
Höchst ansprechend auch, was Matthias Alteheld auf dem nicht gerade
leistungsstarken Flügel vollbrachte: Viel Sinn für das große Ganze, doch
zugleich liebevoller Blick auf das musikalische Detail. Pech, dass ihn in
der Endphase (Nr. 22) die Treffsicherheit im Stich ließ.
Im Ganzen ein Abend, der Franz Schuberts "Winterreise" in bestes Licht
rückte. Uneitel und musikalisch gewissermaßen objektivierend. Dafür
langanhaltender Beifall.